Commitment ist nicht gleich Commitment

Wie kann ich im Zeitalter von mehr und mehr Homeoffice und remote Work sicherstellen, dass meine Mitarbeitende sich autonom und selbstmotiviert im Sinne der Ziele der Organisation verhalten? Durch Stärkung von Identifikation und Commitment.

Damit sich Mitarbeitende im Sinne der Ziele des Unternehmens verhalten können, müssen die Ziele erst einmal mal klar sein. Das scheint zwar trivial, ist in der Praxis aber oft nicht der Fall, obschon viele Führungskräfte fest der Meinung sind, dass Ziele und Aufgaben klar sind. „Andreas, es ist doch alles klar…“, sagen mir oft die Führungskräfte. Wenn ich aber die Mitarbeitenden frage, höre ich eine ganz andere Geschichte.

Ein klassischer Weg, um Klarheit zu schaffen, sind Memos mit klaren Anweisungen, was die jeweiligen Mitarbeitenden bis wann zu liefern haben. So kann eine Führungskraft zum Beispiel einfordern, dass bis am Freitag um 18:00 die Zeiterfassung für die Woche und den Kalender für die Folgewoche aktualisiert wird. Korrekte Zeiterfassung und aktualisierte Kalender sind ja durchaus im Sinn der Ziele der meisten Unternehmen.

Das Memo mit den klaren Anweisungen löst zwar das Problem der mangelnden Klarheit, trägt aber gerade bei einfachen Aufgaben wenig zur Motivation bei. Wir wissen zwar schon seit langem, dass spezifische Ziele durchaus leistungssteigernd wirken können, aber vor allem dann, wenn sie anspruchsvoll sind und zusammen mit den Mitarbeitenden entwickelt wurden.

Doch nur weil die Vorgaben klar sind, ist noch lange nicht gewährleistet, dass Mitarbeitende motiviert sind, sich voll dafür zu engagieren. Insbesondere wenn es um wenig anspruchsvolle Tätigkeiten geht wie Kalender aktualisieren, oder regelmässig Stunden in die Zeiterfassung einzutragen.

Ziele und Vorgaben alleine sind nicht genügend, damit sich Mitarbeitende motiviert und ohne grosse Fremdkontrolle im Sinne des Unternehmens verhalten.

Dazu braucht es nebst klaren Zielen noch zwei zusätzlichen Elemente: Identifikation und Commitment.

 

Was ist mit Identifikation gemeint, und wieso ist diese wichtig?

Persönliche Identifikation mit Organisationen wird schon seit über 40 Jahren untersucht. Dabei hat sich das Konzept der sozialen Identität als besonders wertvoll erwiesen. Die Idee der sozialen Identität hilft zu erklären, wieso wir uns einer Gruppe, einem Team, oder einer Firma zugehörig fühlen, aber auch wieso wieso Konflikte und Vorurteile zwischen sozialen Gruppen entstehen.

Entscheidend dabei ist, dass Menschen von Natur aus ein positives Selbstkonzept herstellen und aufrechterhalten wollen. Ein Teil dieses Selbstkonzepts ist die oben genannte soziale Identität.

Mitarbeitende werden sich dann mit einer Organisation, oder einem Team, identifizieren, wenn die Zugehörigkeit zu positiven Gefühlen führt. Mit anderen Worten, je stärker die Zugehörigkeit zur Organisation meine eigene soziale Identität stärkt, desto mehr identifiziere ich mich mit ihr.

Wenn ich mich besonders stark mit der Organisation identifiziere, dann werde ich auch motiviert sein, mich für deren Aufgaben und Zielen zu engagieren.

Commitment ist nicht gleich Commitment …

Es gibt drei unterschiedliche Arten von Commitment:

  1. Affektives Commitment ist die emotionale Bindung and die Organisation. Je höher das affektive Commitment, desto grösser meine persönliche Bindung, und desto wichtiger ist mir die Organisation. Bei hohem affektiven Commitment fühle ich wie ein „Teil der Familie“.
  2. Moralisches Commitment bedeutet, dass ich ein moralisches oder ethisches Gefühl der Verpflichtung gegenüber der Organisation empfinde.
  3. Kosten/Nutzen-basiertes Commitment ist die Folge einer rationalen Abwägungen von Vorteilen und Nachteilen. Ich bleibe in der Organisation, weil mir die Kosten für den Wechsel zu hoch erscheinen.


Quelle: Rolf van Dick, Identifikation und Commitment, in Handbuch der Arbeits- und Organisationspsychologie

Affektives Commitment

Wenn Mitarbeitende ein hohes Mass an affektivem Commitment besitzen, bedeutet dies, dass sie sich gerne in der Organisation aufhalten, sich mit ihren Zielen und Werten identifizieren und ein starkes Verlangen haben, Teil der Organisation zu sein, und zu deren Entwicklung beizutragen.

Die Hauptmotivation für Mitarbeitende mit einem hohen affektiven Commitment, in der Organisation zu bleiben, basiert auf dem Wunsch, dies zu tun, weil sie sich mit der Organisation verbunden fühlen und ihre Arbeit als persönlich bereichernd empfinden. Typischerweise ist dies der Fall, wenn eine grosse Kongruenz zwischen den eigenen Zielen und den Zielen der Organisation besteht. Stichwort Sinnhaftigkeit!

Moralisches Commitment 

Moralisches Commitment basiert auf dem Gefühl der Verpflichtung, das Mitarbeitende gegenüber der Organisation empfinden. Dieses Gefühl der Verpflichtung kann aus moralischen oder ethischen Gründen entstehen, wie zum Beispiel der Überzeugung, dass es das Richtige ist, der Organisation treu zu bleiben, oder aufgrund erhaltener Vorteile, wie Fortbildung, für die man sich verpflichtet fühlt, „etwas zurückzugeben“.

Mitarbeitende mit hohem moralischen Commitment bleiben in der Organisation, weil sie glauben, dass es ihre Pflicht ist, dies zu tun, oft unabhängig von persönlichen Zufriedenheit mit der Arbeit. Sie fühlen, dass sie der Organisation etwas schulden oder dass es moralisch falsch wäre, die Organisation zu verlassen.

Kosten/Nutzen-basiertes Commitment

Kosten/Nutzen-basierten Commitment (auch kalkulatorisches Commitment genannt) unterscheidet sich von den anderen beiden durch seine Grundlage in den wahrgenommenen Kosten, die mit einem Verlassen der Organisation verbunden sind.

Im Gegensatz zu affektivem Commitment, bei dem die emotionale Bindung zur Organisation im Vordergrund steht, und moralischen Commitment, das auf einem Gefühl der moralischen oder ethischen Verpflichtung basiert, bleiben Mitarbeitende mit hohem Kosten/Nutzen basierten Commitment in der Organisation, weil ihnen Kosten eines Wechsels zu hoch erscheinen.

Diese Kosten können finanzieller Art sein (zum Beispiel Verlust von Gehalt, Boni oder Pensionsansprüchen), sozialer Natur (zum Beispiel Verlust von Freundschaften oder professionellen Netzwerken am Arbeitsplatz) oder auch in Form von Karrierechancen (Verlust von Aufstiegschancen oder der Notwendigkeit, Fähigkeiten, die in der aktuellen Organisation hoch geschätzt werden, anderswo neu beweisen zu müssen).

Die Entscheidung, zu bleiben, ist somit eher rational und kalkulierend, basierend auf einer Abwägung von Vor- und Nachteilen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Hauptunterschied zwischen den unterschiedlichen Arten von Commitment die Quelle der Bindung ist.

Beim affektiven Commitment ist die Bindung emotional und basiert auf der Identifikation mit der Organisation, während beim moralischen Commitment die Bindung aus einem Gefühl der Verpflichtung resultiert. Beim Kosten-Nutzen-basierten Commitment ist die Bindung rein rational.

Wie wirken sich die unterschiedlichen Arten von Commitment auf Zufriedenheit, Leistung und Bereitschaft zu kündigen aus?

Affektives Commitment hat die stärkste und nachhaltigste Wirkung auf Zufriedenheit und Leistung. Es ist auch die Art von Commitment, welche die Mitarbeitenden am stärksten motiviert, im Unternehmen zu bleiben. Moralisches Commitment hat zwar eine positive Wirkung auf Zufriedenheit, beeinflusst aber kaum die Bereitschaft zu mehr Leistung.

Dagegen hat Kosten/Nutzen-basiertes Commitment zwar eine gewisse Wirkung auf die Bereitschaft im Unternehmen zu bleiben, doch leider keine positive, oder sogar negative, Wirkung auf Zufriedenheit und Leistung. Mitarbeitende mit hohem Kosten/Nutzen-basierten Commitment sind erfahrungsgemäss weniger motiviert, eine hohe Leistung zu erbringen, als jene Mitarbeitende mit hohem affektivem Commitment.

Das Vorhandensein von Kosten/Nutzen-basierten Commitment kann jedoch auch zur Stabilität beitragen, da Mitarbeitende weniger wahrscheinlich kündigen, was die Fluktuationsrate verringern kann, besonders in Zeiten oder Branchen, in denen die Arbeitsmarktmöglichkeiten begrenzt sind.

 

Wie kann ich bei unseren Mitarbeitenden die Art von Commitment identifizieren?

Um zu erkennen, welche Art von Commitment die Mitarbeitenden aufweisen, können Führungskräfte auf verschiedene Indikatoren achten und gezielte Massnahmen ergreifen. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Methoden nicht immer eindeutig sind und Überschneidungen zwischen den verschiedenen Arten von Commitment bestehen können.

Weiter unten sind sind einige Ansätze, die helfen können, die Art des Commitments zu identifizieren. Die Ergebnisse können Sie im Commitment Assessment Tool eintragen. Um eine Kopie es Tools zu erhalten, nutzen sie das Kontaktformular mit dem Betreff „Commitment Assessment Tool“.

 

Affektives Commitment

Indikatoren:

  • Enthusiasmus und Leidenschaft: Mitarbeitende zeigen eine natürliche Begeisterung für ihre Arbeit und die Ziele der Organisation.
  • Freiwilliges Engagement: Sie engagieren sich über ihre normalen Aufgaben hinaus und nehmen an freiwilligen Aktivitäten oder Initiativen teil.
  • Positive Einstellung: Eine generell positive Einstellung zur Arbeit und zum Arbeitsumfeld ist erkennbar.
  • Starke Identifikation: Mitarbeitende identifizieren sich stark mit der Organisation, ihren Werten und Zielen

Moralisches Commitment

Indikatoren:

  • Pflichtgefühl: Mitarbeitende fühlen sich der Organisation gegenüber verpflichtet, unabhängig von ihrer persönlichen Zufriedenheit.
  • Verpflichtungsbekundungen: Äusserungen, die ein Gefühl der Schuld oder der moralischen Verpflichtung erkennen lassen, wenn es um die Arbeit oder die Organisation geht.
  • Starker Fokus auf Ethik und Werte: Die Entscheidungen und Handlungen sind stark von moralischen Überlegungen geleitet.

Kosten/Nutzen Commitment

Indikatoren:

  • Äusserungen über Wechselkosten: Mitarbeitende sprechen darüber, wie schwierig es wäre, die Organisation zu verlassen, sei es wegen des Verlusts von Vorteilen, Pensionsansprüchen oder der Angst vor dem Unbekannten.
  • Mangel an Alternativen: Äusserungen, dass es keine besseren Jobmöglichkeiten gibt oder dass der Arbeitsmarkt schwierig ist.
  • Fokus auf materielle Vorteile: Ein starker Fokus auf Gehalt, Boni und andere materielle Vorteile kann ein Indikator sein.

Allgemeine Strategien

  • Mitarbeiterbefragungen: Durchführen von regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen mit Fragen, die speziell darauf ausgerichtet sind, die verschiedenen Arten von Commitment zu messen.
  • Eins-zu-Eins-Gespräche: Regelmässige, offene Gespräche mit den Mitarbeitenden können wertvolle Einblicke in ihre Motivationen und Bindungen an das Unternehmen geben.
  • Beobachtung von Verhaltensmustern: Verhaltensmuster über einen längeren Zeitraum können Aufschluss über das vorherrschende Commitment geben.

Es ist wichtig, diese Erkenntnisse sensibel und verantwortungsvoll zu nutzen, um eine positive Arbeitsumgebung zu fördern und individuelle Bedürfnisse und Motivationen der Mitarbeitenden zu berücksichtigen.

Was bedeutet dies für Führungskräfte?

In der Praxis ist es für Unternehmen wichtig, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Formen des Commitments zu fördern. Idealerweise sollte ein Unternehmen eine starke emotionale Bindung (affektives Commitment) fördern, ergänzt durch ein angemessenes Mass an moralischen und Kosten/Nutzen-basierten Commitment, um eine engagierte und loyale Belegschaft zu erhalten.

Ein zu starkes Verlassen auf Kosten/Nutzen-basierten Commitment kann aber zu einer Belegschaft führen, die hauptsächlich aus Verpflichtung bleibt, was die Innovationskraft und die Mitarbeiterzufriedenheit beeinträchtigen kann.

Einladung zum Handeln

7 bewährte Strategien, um Identifikation und Commitment zu stärken

  1. Klare Vision und Werte kommunizieren: Unternehmen sollten eine klare und inspirierende Vision sowie Kernwerte haben, die regelmäßig kommuniziert werden. Dies hilft Mitarbeitenden, sich mit den Zielen und der Kultur des Unternehmens zu identifizieren.
  2. Mitarbeiter einbinden: Unternehmen sollten Mitarbeitende in Entscheidungsprozesse einbeziehen, insbesondere in solche, die ihre Arbeit direkt betreffen. Dies fördert das Gefühl der Wichtigkeit und des Beitrags zum Unternehmenserfolg.
  3. Entwicklungsmöglichkeiten bieten: Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten sind wichtige Faktoren für die Mitarbeiterbindung. Unternehmen sollten individuelle Entwicklungspläne unterstützen und Möglichkeiten zur Weiterbildung und zum Aufstieg innerhalb des Unternehmens bieten.
  4. Transparente Kommunikation pflegen: Offene und ehrliche Kommunikation über Unternehmensentwicklungen, Herausforderungen und Erfolge schafft Vertrauen und Sicherheit. Mitarbeitende fühlen sich informiert und eingebunden.
  5. Teambuilding und soziale Aktivitäten: Gemeinsame Aktivitäten und Veranstaltungen können das Gemeinschaftsgefühl stärken und persönliche Beziehungen zwischen den Mitarbeitenden fördern.
  6. Gesundheit und Wohlbefinden fördern: Programme zur Gesundheitsförderung und zum Wohlbefinden zeigen, dass das Unternehmen sich um die physische und psychische Gesundheit seiner Mitarbeitenden kümmert.
  7. Feedbackkultur etablieren: Regelmässiges, konstruktives Feedback ermöglicht es den Mitarbeitenden, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und sich als Teil des Ganzen zu fühlen. Dies schliesst auch ein offenes Ohr für die Anliegen und Ideen der Mitarbeitenden ein.

Durch die Kombination dieser Strategien können Unternehmen eine starke Bindung und Loyalität ihrer Mitarbeitenden fördern, was sich positiv auf die Arbeitsleistung und die Unternehmenskultur auswirkt.

Nächste Schritte

Falls sie bereit sind, dieses Thema in Ihrem Unternehmen anzugehen, empfehle ich Ihnen folgenden drei Schritte

  1. Nutzen Sie das Commitment Assessment Tool  – siehe oben
  2. Erstellen Sie gemeinsam eine Liste Ihrer Mitarbeitenden und beurteilen sie für jeden, welches dessen dominante Art des Commitments ist
  3. Identifizieren Sie anhand der Liste, wo unmittelbar Handlungsbedarf besteht

 

Danke fürs lesen

Andreas Wettstein

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